Gotthard-Postkutsche
Zum Anlass anstehender Pflegearbeiten an besagter Postkutsche ein kurzer Rückblick auf das 2015/2016 erfolgreich durchgeführte Restaurierungsprojekt für das Schweizerisches Landesmuseum Zürich:
Der Zustand der Postkutsche im Jahr 2015 war aus restauratorischer Sicht vor allem folgenden Umständen geschuldet:
Die Kutsche wurde in den 70er-Jahren komplett aufgearbeitet, was zur Folge hatte, dass die vorgefundene Materialpalette bei Leder, Textilien und Lack vor allem aus jener Zeit stammten. Die bei der Neulackierung 1976 angewendeten Techniken entsprachen in etwa dem verarbeitungstechnischen Stand der 1950er/60 er Jahre.
Das Fahrzeug wurd im Aussenbereich des Museums, den Witterungseinflüssen weitgehend ausgesetzt, ausgestellt.
Für die Museumsbesucher war das Objekt leicht zugänglich.
Diesen Fakten galt es nun bei der Ausarbeitung des Konservierungs- und Restaurierungskonzepts Rechnung zu tragen.
Da es sich bei besagter Kutsche um ein Fahrzeug handelt und man dieses mindestens bis 1998 auch noch als solches nutzte, bzw. in all den Jahren dementsprechend wartete und in Stand setzte, lag es nahe, das Objekt ganz bewusst weiterhin als “Historisches Vehikel” zu behandeln. Dem Konservierungs- und Restaurierungskonzept wurde in der Folge der „International Technical Code“ und die „Charta von Turin“ der FIVA (Fédération Internationale des Véhicules Anciens) zu Grunde gelegt.
Mit diesem Vorgehen bewegten man sich bewusst einen Schritt weg von der musealen Konservierung und Restaurierung hin zur Erhaltung eines Gebrauchsgegenstandes, der weiterhin bewusst einer eingeschränkten Nutzung ausgesetzt sein würde, welche ihn stark beansprucht. Konkret das Ausstellen im Aussenbereich mit erheblicher Witterungsbelastung und nur wenig gehindertem Zugang der Besucher.
In einer Voruntersuchung wurden der Zustand von Eisen- und Holzteilen, von Konstruktion, Lackaufbau und den Lederarbeiten untersucht und dokumentiert.
Fazit: Die Kutsche war betreffend Holz- und Eisenbauteile, sowie Textilen in einem guten Zustand. Seitens Museum wurde festgelegt, dass die Vermittlung von Fahrtüchtigkeit primäres Ziel sei. Der Schwerpunkt der Massnahmen lag also bei den äusseren Oberflächen und dem Leder.
In Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Oldtimer-Fahrzeugbrache erarbeiteten wir nun eine konkrete Vorgehensweise. Beteiligt waren ein Lackiermeister, der in den Techniken der 1950/60er Jahren fundierte Kenntnisse besitzt, ein Lackfachmann der Firma Glasurit für die Beratung in Bezug auf Systemverträglichkeit von neuem und altem Lackaufbau, eine Fachfrau für Lederverdecke bei historischen Fahrzeugen und ein Diplom-Restaurator (FH) für Holz und Materialien der Moderne. Als Arbeitshypothese wurde die Postkutsche entsprechend des „International Technical Code(s)“, in diesem Rahmen der Erhaltungsgruppe 3 und Baujahrklasse A (Ancestor) zugeordnet.
Diese etwas andere Herangehensweise ermöglichte das Erarbeiten und Durchführen folgenden Massnahmen-Katalogs:
Die Kutsche wurde mit Hilfe von Staubsaugern und Pinseln akribisch trocken gereinigt, damit bei späteren Arbeiten keine Komplikationen entstanden. Der Vâche, die Ledermanschetten an den Bremsen, die Beinabdeckungen der Banquette und die ledernen Nabensicherungen wurden abgenommen und von der Lederspezialistin zur weiteren Bearbeitung ins Atelier mitgenommen. Das Banquette-Verdeck wurde in situ bearbeitet. Danach konnten alle lackierten Oberflächen von den Resten der stark degradierten Schichten befreit werden. Erst jetzt war der eigentliche Zustand und die Farbtöne der Lackierung einschätzbar bzw. zu erkennen. Da die Alterung der Lackfarbigkeit je nach Position an der Kutsche sehr unterschiedlich ausfällt, konnte bei allen Farben nur ein bis zwei Grundtöne festgelegt werden. Diese konnten dann situativ durch Abtönen angepasst werden.
Nun konnte wir Schadstelle für Schadstelle überarbeitet werden. Ziel war es nach wie vor, soviel Originalsubstanz aus den 70ern zu erhalten wie möglich. Es fand also keine Ganzlackierung statt. Wir versuchten dem vorhandenen Materialmix Holz-Metall, mit der Art des Schichtaufbaus soweit als möglich Rechnung zu tragen. Aber Problemstellen wird es auch nach Abschluss der Arbeiten immer wieder geben. Holz und Metall reagieren auf Wärme und Feuchtigkeit vollkommen unterschiedlich. Die daraus folgende, ausserordentlich starke Lackbeanspruchung wird unweigerlich ihren Tribut fordern.
Nach Abschluss der Lackierarbeiten wurde die Lackoberfläche versiegelt und poliert. Eine Arbeit die weiterhin in regelmässigen Abständen von den zuständigen Restauratoren durchgeführt wird.
Ganz zum Schluss konnten in Zusammenarbeit mit der Lederspezialistin die restaurierten Lederabdeckungen und –Teile wieder montiert werden. Alle Originale, die nicht wieder an der Kutsche zum Einsatz kamen, wurden im Sammlungszentrum des Schweizerischen Nationalmuseums archiviert und bleiben für künftige Forschung weiterhin als Dokumente erhalten. Im Juli 2016 waren die Arbeiten abgeschlossen.
„Die Rückführung und Aufstellung am gewohnten Ort erfolgte am 18. Juli 2016, gerade rechtzeitig zur Eröffnung des Neubaus am 1. August 2016. Seither ist sie wieder das meistfotografierte Objekt des Museums.“













